Populäre und Moderne Keramik der 1930er Jahre unter Walter Goldscheider
Walter Goldscheider
Wien, Österreich
Nach der Trennung der beiden Brüder führt Walter 1928 einen zweiten Hauptzweig der Produktion auf dem Markt ein: die modernen Keramiken. Diese umfassen die Erzeugung von Köpfen, Masken, Tieren, Figuren, Gebrauchskeramik, Reliefs etc. und sollen den neuen Geschmack der Wohnungseinrichtungen bedienen.
Die ersten Modelle dieser neuen Kollektion werden von Walter Bosse angefertigt, der an der Kunstgewerbeschule in Wien unter Michael Powolny und Franz Cizek studiert hat und eine eigene Werkstatt in Kufstein betreibt. Dort stellt er die modernen Keramiken für Goldscheider her und prägt sie mit einem ihm zur Verfügung gestellten Goldscheider-Stempel. Manche Objekte erhalten zusätzlich seinen eigenen Bosse-Stempel.
Im Jahr 1928 nimmt auch Benno Geiger, ebenfalls ein Absolvent der Wiener Kunstgewerbeschule und Schüler Powolnys, seine Arbeit bei Walter Goldscheider auf. Er gehört zu den produktivsten Mitarbeitern bei Goldscheider und entwirft etliche Vasen und Schalen sowie figürliche Keramik für Goldscheider und steigt bald zum Abteilungsleiter auf. 1934 kehrt er in die Schweiz zurück.
Walter Goldscheider ist Ende der 1920er Jahre eine angesehene Persönlichkeit des Wiener Gesellschaftslebens. Seine Manufaktur kann dank der populären Modelle und des internationalen Vertriebs der weltweiten Wirtschaftskrise trotzen.
564 Walter Goldscheider Benno Geiger Vase
Ende der Zwanziger Jahre werden auch zunehmend Hundeplastiken produziert und der Hund in all seinen Rassen als innigster Freund des Menschen abgebildet. Neben einzelnen Schäferhunden, Dackeln, Pekinesen und Neufundländern sind es vor allem kombinierte Gruppen, die den Geschmack der Zeit treffen. Eines der populärsten Modelle der 30er Jahre ist der Terrier von Ida Meisinger. Der in verschiedenen Versionen und Farben produzierte Terrier, einzeln stehend oder im Paar als „Pat und Patachon“ bezeichnet, in Form von Buchstützen bis hin zu Miniaturen, ist die am meisten verkaufte Kleinplastik von Goldscheider. Die erfolgreiche Vermarktung der Terrier etabliert den Begriff der „Goldscheider-Nippes“.
Im Jahr 1932 wird Rudolf Knörlein Leiter der modernen Abteilung und künstlerischer Leiter des Betriebes. Knörlein, der vorher schon für Marcell Goldscheider tätig war und dessen Frauenköpfe als Wandmasken und Büsten international erfolgreich sind, prägt maßgeblich die Produktion bis zu seinem Weggang im Februar 1936.
Typische Modelle der dreißiger Jahre sind die Tänzerinnen von Josef Lorenzl, Stephan Dakon und Klára Herczeg (Claire Weiss), Wandmasken von Kurt Goebel, Rudolf Knörlein, Adolf Prischl, Tierfiguren von Karin Jarl, Aktfiguren von Lorenzl, der auch einige Madonnen entwirft, Kinderfiguren von Dakon und Weiss.
Die Goldscheider Manufaktur erlebt in den dreißiger Jahren einen erneuten Höhepunkt ihres Schaffens und ihrer weltweiten Popularität. Zum fünfzigjährigen Bestehen der Manufaktur schreibt „Die Schaulade“ im Februar 1935 über die „Wiener Fayence“, die ein Synonym für Goldscheider geworden ist: „…durch Originalität ausgezeichnete Modelle, die der jeweiligen Zeit richtig angepasst, edle Glasuren, erlesene Farben, geschmackvolle Dekore, das sind ihre auch heute noch in Geltung und Ansehen stehende Kennzeichen.“
In der zweiten Hälfte der 30er Jahre ist die Veränderung des populären Geschmacks ersichtlich. Es werden verstärkt liebliche Tier- und Kinderfiguren hergestellt, auch das Erscheinungsbild der Tänzerinnen hat sich von der eleganten Ausstrahlung der 20er Jahre hin zu der eher völkisch orientierten Naturalismus-Ästhetik der 40er Jahre entwickelt.