Nach der Arisierung ihres Wiener Unternehmens emigrieren Walter und Lilly Goldscheider im Jahr 1939 über England nach Amerika, wo ihr Sohn Erwin seit 1938 in Miami lebt. Sie setzen sich in der amerikanischen Töpferstadt Trenton in New Jersey nieder und eröffnen dort zunächst eine Porzellanhandlung. Da Goldscheider Objekte seit Ende des 19. Jahrhunderts auch in Nordamerika vertrieben werden, ist Goldscheider auf dem amerikanischen Markt eine renommierte Marke, die für eine der besten europäischen Keramikmanufakturen steht.
Im Dezember 1940 wird in Trenton eine neue Fabrik eröffnet, der Walter als „president“ des Unternehmens „American Goldscheider Inc.“ vorsteht und Ideengeber für neue Modelle ist, während sein Sohn Erwin (in Amerika auch Irving genannt) als „production manager“ die Produktion beaufsichtigt. In der Anfangszeit werden in Trenton sowohl bekannte Modelle der Wiener Produktion hergestellt, darunter viele Tänzerinnen, Borzoi-Hunde oder Kinderfiguren mit Tieren. Es entstehen aber auch zahlreiche neue Modelle, von denen viele von Helen Liedloff stammen. Sogar die seit längerem in New York lebende Künstlerin Vally Wieselthier entwirft für American Goldscheider. Wieselthier hat bereits in Wien für Goldscheider Modelle geliefert, unter anderem Wandmasken von Cherubim, die auch in Trenton produziert und auf den amerikanischen Geschmack angepasst werden.
Goldscheider-Everlast Corporation
Um 1942 wird das Unternehmen als Goldscheider-Everlast Corporation geführt, dementsprechend wird auch die Copyright-Stempelung der Modelle in „Goldscheider-Everlast Corp.“ geändert. Die in New York ansässige Everlast Corporation ist eine Vertriebsagentur für dekorative Kunsterzeugnisse aus Aluminium, die sich an Walter Goldscheiders Fabrik beteiligt und den Vertrieb der amerikanischen Erzeugnisse übernimmt.
Die produzierten Modelle sind vielfältig: neben Gebrauchskeramik wie Dosen, Aschern und Vasen finden sich Rokoko-Statuetten im Alt-Wiener-Genre genauso wie Kostümfiguren aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs, Tierfiguren vor allem Vögel, Hunde und exotische Tiere, balinesische Tänzerinnen sowie einige der aus den 30er Jahren bekannte Wiener Figuren und Wandmasken. Sowohl die an den amerikanischen Stil angepassten Reproduktionen der Wiener Modelle wie auch die zeitgenössischen Trenton Modelle erhalten eine neue Nummerierung. Amerikanische Künstler wie Gloria Drew, Peggy Porcher oder A. Jacob steuern zahlreiche Modelle bei.
Genauso wie sein Bruder Marcell, der nach England emigriert ist und dort Keramik produziert, hat sich auch Walter dem Geschmack des neuen Heimatlandes angepasst. Er hat mit den unterschiedlichen Materialien und der unzureichenden Ausbildung seiner amerikanischen Arbeiter zu kämpfen, die nicht in der Lage sind, die Wiener Qualität zu erreichen. Im Jahr 1946 wird zwar ein neues, robusteres Porzellanmaterial für eine eigene Produktionsreihe eingesetzt, das mit „Fine China“ bezeichnet wird und hochwertigere Unterglasur-Dekorationen ermöglichen soll. Stilistisch und künstlerisch gibt es aber kaum Entwicklungen.Nach dem Krieg kommt es schon bald zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Fabrik in Wien und Trenton, die vor allem im gegenseitigen Vertrieb der Erzeugnisse beruht. Der im Jahr 1946 von Universal Pictures gedrehte Kurzfilm „Pottery Poets“, der in der Goldscheider Fabrik aufgenommen worden ist, wird von Erwin für Promotionszwecke eingesetzt, was zur steigenden Popularität der Goldscheider-Modelle beiträgt. Auch andere Medien wie Radio, Magazine und Zeitungen werden von Goldscheider genutzt, um auf die Arbeit der amerikanischen Produktion aufmerksam zu machen.
Goldcrest Fine China U.S.A.
Im Frühjahr 1948 wird eine neue Fabrik in Trenton eröffnet und 75 neue Modelle angekündigt. Ab diesem Zeitpunkt werden viele der amerikanischen Goldscheider Erzeugnisse auch unter der Marke Goldcrest vertrieben – vor allem preisgünstige Figuren, Tiere und Raucher-Accessoires. Diese Figuren tragen ein Wappen in dem „Goldcrest“ und „Fine China U.S.A.“ steht. Bei Goldcrest handelt es sich wahrscheinlich um eine Tochtergesellschaft von Everlast, die aus der Zusammenarbeit mit Walter einige Modelle mitgenommen hat und nach der Trennung diese selbst erzeugt. Zu den produktivsten Künstlerinnen unter dem Label Goldcrest gehört Kathi Urbach.
Goldscheider of Vienna Incorporated
Mitte des Jahres 1952 wird die amerikanische Goldscheider Fabrik geschlossen und es kommt zur Gründung der reinen Vertriebsgesellschaft „Goldscheider of Vienna Incorporated“, die ihren Sitz in Trenton hat. Über das Schicksal der amerikanischen Fabrik äußert sich Walter wie folgt: „Wir hatten in Amerika eine kunstkeramische Fabrik, mussten dieselbe jedoch wegen der furchtbar billigen japanischen, aber auch italienischen Konkurrenz aufgeben. Nun wird mein Sohn sich dort auf den Verkauf unserer Wiener Erzeugnisse konzentrieren.“
Ab 1953 betreibt Erwin „Goldscheider of Vienna, Inc.“ als Vertriebsunternehmen für europäische Kunsterzeugnisse. Im Jahr 1980 verkauft er die Firma an Leo O’Connell, der den Vertrieb fortsetzt und vor allem Devotionalien aus Spanien, Deutschland und Italien importiert. Vier Jahre später stirbt Erwin Goldscheider; seine Frau Charlotte bleibt in Trenton, sein Sohn Peter F. Goldscheider wird Rechtsanwalt in Palo Alto. Leo O’Connell übergibt die Vertriebsagentur im Jahr 1991 an seinen Sohn Timothy, unter dessen Leitung sich das Unternehmen auf den Import von exklusiven christlichen Objekten aus Italien spezialisiert: Alabaster- und Porzellan-Heiligenfiguren, Madonnen, Kruzifixe und Altarbilder von Künstlern wie Ado Santini, Luciano Cazzolla oder Simona Santini. Die von Goldscheider of Vienna vertriebenen Objekte werden vor allem in Devotionalien-Läden in Nordamerika verkauft. So ist der jüdische Name und die traditionelle Weltmarke Goldscheider heutzutage in den USA ein Gütezeichen für hochwertige christliche Utensilien.