319 Marcell Goldscheider Carmen Ballett Russe

Die Vereinigten Ateliers für Kunst und Keramik von Marcell Goldscheider

Marcell Goldscheider

Wien, Österreich

Nach der Trennung von seinem Bruder Walter wird im Januar 1928 die Cottage-Villa in der Hasenauerstrasse 16 komplett auf Marcell übertragen. Am gleichen Ort betreibt Marcell am Anfang seiner Selbständigkeit als Alleininhaber die „Vereinigten Ateliers für Kunst und Keramik“, in denen er mit 15 Mitarbeitern Fayencen, Porzellan-Figuren, Vasen und Leuchter herstellt. Zusätzlich meldet er den „Handel mit Porzellan- und Steingutwaren, Figuren und einschlägigen Artikeln“ als Gewerbe an.

Marcell setzt in seinem eigenen Unternehmen die Idee eines ganzheitlich involvierten Künstlers durch. Er ist in dieser Einstellung stark von seinem Bruder Arthur Goldscheider geprägt, der in Paris bereits 1925 die gleichen Ideen propagierte. Selbstverständlich zeigt sich hier auch der Einfluss der Wiener Werkstätte, die Originale produzieren ließ und deren Künstler auch für Marcell Modelle entwerfen.

Die von Marcell für den Österreichischen Werkbund (Ö.W.B.) erstellten Keramiken werden sehr wohlwollend aufgenommen, in der „Schaulade“ steht 1929 diesbezüglich: „In diesen Arbeiten prägt sich das Wesen des Wienerischen in seiner besten Art charakteristisch aus. Die figürlichen Darstellungen sind von einer stillen, besinnlichen, fast traumhaften Art, und doch behält die Formgebung das lockere Spiel mit der Form, mit dem Formalen.“ Auch das Farbspiel wird gelobt: „Die Glasuren gleiten über den oft mit Absicht etwas unebenen Scherben in sehr freien, mitunter kühnen farbigen Bahnen.“ Zu den beschriebenen Objekten zählen nicht nur der „Schalenträger“ und die Figuren „Innehaltende“ und „Niederblickende“, es betrifft auch Lampenfüße, Vasen und Schalen, die von Marcell produziert werden.

Doch bereits im Jahr 1931 hat Marcell finanzielle Probleme. Seine unternehmerische Neugründung fällt in die Zeit der Weltwirtschaftskrise und im Gegensatz zu seinem Bruder will er nicht den Massenmarkt bedienen.

Um 1937 verringert sich die Anzahl der bei Marcell tätigen Arbeiter auf nur noch zehn Personen. Mit der Annektierung Österreichs wird auch Marcell Goldscheiders Arbeit immens erschwert. Im August 1939 wird sein Gewerbeschein zurückgenommen, bevor er einen Monat später offiziell erlischt. Zu dieser Zeit verlassen Marcell und Rosemarie Goldscheider Wien.