Wie war das gleich – Gegensätze ziehen sich an? Im Süden Deutschlands pulsiert eine Stadt im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, Natur und Urbanität, Luxus und alternativem Leben, arm und reich: München.
Südlich der Metropole liegt die vielleicht exklusivste Gemeinde Bayerns, gemessen an der Millionärsdichte sogar der gesamten Bundesrepublik. Grünwald führt viele Titel: „Bayerisches Hollywood“ zum Beispiel. Zwischen Isar, Grünwalder Forst und Bavaria Filmstadt schrieben schon viele Menschen Geschichte. Eine davon spielt sich unter Tage ab. Im Bunker an der Zeillerstraße setzt zeitgenössische Kunst und Kultur neue Akzente an einem von Umbrüchen geprägten Ort.
Geschichte
Stabile Bauten währen ewig – so das traditionelle Credo von Machthabern weltweit. Auch der Bunker unter der Zeillerstraße in Grünwald entstand unter diesem Leitsatz. Die Luftwaffe der deutschen Wehrmacht erbaute ihn Anfang der 1940er Jahre aus Stahlbeton. Aus Sicherheitsgründen mit zwei Eingängen: der eine an der Zeillerstraße, nur wenige Meter von Burg Grünwald entfernt, der andere am Isarhang – im Wald – und somit von der Luft aus unsichtbar.1
Der vollständig elektrifizierte und mit einer Lüftungsanlage ausgestattete Tiefbunker bot mehr als 350 Menschen Platz. Auf knapp 300 m2 erschlossen sich rund 15 Räume, darunter nach Geschlechtern getrennte Toiletten.
Bombensicher, feuerresistent, unauffällig – der ideale Ort zur Unterbringung einer Kommandozentrale zur Führung militärischer Verbände. 1944 bezog ein Großverband der deutschen Luftwaffe, die 26. Flak-Division, ihr Hauptquartier. Sie verteidigte den Luftraum über Südbayern, Innsbruck und Salzburg.
Mit der Einnahme Münchens durch amerikanische Alliierte löste sich die nationalsozialistische Division Ende April 1945 auf. Die meterdicken Wände des Luftwaffenleitbunkers überdauerten. Zurück blieb ein stummes Relikt aus einer dunklen Zeit, tief eingegraben in die Grünwalder Erde.
Während des Kalten Krieges wurde der Bunker 1985 als ABC-Schutzraum gegen atomare, biologische und chemische Kampfmittel modernisiert. Für die zivile Bevölkerung standen Vorräte, Betten und Decken bereit.
Lange stand der unterirdische Bau leer: die kriegerische Gefahr vorerst gebannt, ein Abriss zu teuer. Schließlich verkaufte die Bundesrepublik Deutschland den Bunker 2015 samt Grundstück. Seitdem befindet er sich in Privatbesitz.
1 vgl. Hella Neusiedl-Hub, Spuren der Grünwalder Vergangenheit 1933–1945, 2. erw. Auflage, 2020.
Private Viewings
Die heutigen Besitzer des ehemaligen Luftwaffenbunkers schlagen nach dieser bewegten Geschichte ein neues Kapitel auf. In den unterirdischen Schutzräumen zeigen Dr. Filipp & Betty Goldscheider jeden Sommer im privaten Kreis ausgewählte Arbeiten ihrer Kunstsammlung. Für diese tragen sie unter dem Motto „Fake & Facts. The Illusion of Possession“ Positionen zeitgenössischer Kunst zusammen, die das etablierte Denken über Wert, Qualität, Echtheit und Genie hinterfragen und die Mechanismen des Kunstmarktes beleuchten.
Zur Förderung von Kunst und Kultur stellt das Ehepaar Goldscheider ihren Bunker zwischen September und Mai auch befreundeten Künstlern, Schauspielern, Musikern, Malern, Bildhauern, Galerien und Kuratoren zur Verfügung. Mit der gemeinschaftlichen Umsetzung von Ausstellungsprojekten und Events stärken sie die fokussierte Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur an einem besonderen Ort – im exklusiven privaten Rahmen.
Bild: Arbeiten von Lavely Miller